Eines der beliebtesten Reiseländer der Welt ist Thailand. Palmen, Kokosnüsse, ewig weiße Sandstrände, herrlich warmes Meer und außerordentlich freundliche Menschen sind die ersten Assoziationen für die meisten Besucher.
Thailand wird als das Land des Lächelns bezeichnet. Die Strandverkäufer, Restaurantbesitzer, Masseure scheinen einem die ganze Zeit nur ihr größtes Lächeln zu schenken. Doch handelt es sich hierbei nicht um reine Geschäftstüchtigkeit?
Foto: © Paul Kim
Na klar, sagen nun einige Expats und Dauerbesucher dieses außergewöhnlich schönen Landes. Und verweisen dabei auf die bestehende Kriminalität, auf Korruption der Beamten und Polizisten und der vorherrschenden Militärdiktatur.
Manchmal sind es aber die kleinen Dinge und Gesten, die einen nachhaltig bewegen. Und vielleicht beschämen, weil man selbst in einer ähnlichen Situation anders gehandelt hätte.
Straßenküche in Thailand
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Mae Sai-Straße
Foto: © Paul Kim
Ein besonderer Tag
Es ist ein sehr heißer Sommertag in Nordthailand. Hier in Mae Sai gibt es keine Strände, kein Meer und daher verirren sich hier so gut wie keine Touristen her. Im Sommer 2018 wurde dieses kleine Grenzstädtchen unweit des Goldenen Dreiecks zwischen Laos und Myanmar weltberühmt. Damals waren zwölf Mitglieder eines Fußballteams im Alter zwischen 11 und 16 Jahren und ihr Trainer in einer Höhle eingeschlossen. Bei einer spektakulären Rettungsaktion holte man alle lebendig und gesund aus der Höhle.
Kurz vor diesem Ereignis waren meine Frau und ich mit unserem damals 8 Monate altem Kind in eben jenem kleinen Städtchen in Mae Sai, um Freunde zu besuchen, die dort Englisch unterrichten. Nach vier Tagen wollten wir wieder abreisen. Es ist ein Sonntag Nachmittag. Zurück nach Chiang Rai sollte es gehen, der großen Provinzhauptstadt mit Flughafen, eine Autobusstunde von Mae Sai entfernt.
Nun waren wir offensichtlich nicht die Einzigen, die diesen Weg zurück zur Provinzhauptstadt machen wollten. Viele einheimische Wochenendpendler, Familien und Pendler waren ebenfalls auf dem Weg zurück nach Chiang Rai. Busse fahren hier nicht nach vorgegebenen Zeiten, sondern fahren los, sobald sie voll sind. Der nächste Bus kommt, wenn er kommt. Solange steht man brav in der Schlange am Bussteg an. Und so warteten wir mindestens 90 Minuten. Eine Klimaanlage in der offenen Bushaltestelle gab es nicht. Dafür knapp 40 Grad tropische Hitze und die dazu gehörende außergewöhnlich hohe Luftfeuchtigkeit, die man in Deutschland eher in Form einer Dampfsauna kennt.
Als Eltern von Kindern, insbesondere, wenn diese im Säuglingsalter sind, denkt man lieber zweimal darüber nach, ob die Reisestrapazen für das eigene Kind tragbar sind. Bislang waren wir guter Dinge. Wir waren bereits zwei Wochen unterwegs und bislang lief alles glatt.
Doch hier mitten im Bergdschungel von Mae Sai bei 40 Grand Hitze war uns bewusst. Jetzt ist die Grenze überschritten. Unser Kind schluchzte. Und wir bekamen Gewissensbisse, warum wir ausgerechnet hierher gekommen sind. Wir wechselten uns ab in der Warteschlange am Bussteg. Während einer in der brütenden Hitze wartete, suchte der andere mit dem Kind ein schattiges Plätzchen mit Ventilator der Aufsichtspersonen im Busterminal.
Der Busbahnhof
Foto: © Paul Kim
Nach besagten 90 Minuten kam der Bus – ein größerer Songthaew – eingefahren.
Endlich.
Alle atmeten auf. Gesittet und geordnet – wie üblich in Thailand – stiegen alle vor uns in den Bus. Meine Frau kam mit unserem Baby an den Bus geeilt. Nun waren wir dran. Unser Gepäck hievten wir die Busstufen hoch. In dem Moment, wo wir einsteigen wollten, teilte uns der Fahrer achselzuckend mit: „No space!“.
Tatsache! Der Bus war voll.
Hätte man damals unsere langen Gesichter auf Foto festgehalten, könnten sicher Generationen nach uns noch darüber lachen. Doch hier war uns zum Lachen nicht zumute. Während der Bus nun langsam abfuhr, standen wir am Steg und wussten nicht einmal, in welche Richtung wir nun denken sollten.
Doch dann geschah das Unglaubliche:
Der Bus hielt an.
Ein junges Pärchen stieg aus.
Alle aus dem Songthaew starrten uns an.
Und bevor wir kapierten, was hier los war, eilte das junge Pärchen zu uns und sagten im gebrochenen Englisch: „You go Bus, you have Baby!“. Vielleicht waren wir zu verdattert, um mehr als ein gestammeltes „Thank you“ herauszubringen. Wir stiegen in den Bus. Im Bus machte man uns extra Platz, damit wir ganz vorne sitzen konnten. Das Pärchen nun draußen gliederte sich indes wieder brav hinten in der Schlange am Steg ein.
Diese Begebenheit ließ mich darüber nachdenken, wie oft ich in den öffentlichen Verkehrsmitteln – durch die Ablenkung am Smartphone – übersehe, dass andere meinen Sitzplatz dringender brauchen.
In einem Landstrich, wo die Menschen weniger als 200 Euro / Monat verdienen, bekam ich eine Lektion in Rücksichtnahme und Altruismus.